Als Eltern wollen wir das Beste für unsere Kinder. Bei der Berufswahl kann dieses Wollen aber schnell zu Druck werden. Wie schaffen wir es, zu unterstützen, ohne zu bevormunden? Wie begleiten wir, ohne zu steuern? Dieser Artikel gibt praktische Antworten.
Eure Rolle verstehen
Die Berufswahl ist eine Entscheidung eures Kindes. Das klingt selbstverständlich, aber in der Praxis vergessen wir das manchmal. Eure Rolle ist die der Begleitung, nicht der Bestimmung.
Das bedeutet nicht, dass ihr keine Meinung haben dürft. Es bedeutet, dass eure Meinung ein Angebot ist, keine Vorgabe. Euer Kind darf anders entscheiden und sollte das auch. Denn es muss später in diesem Beruf arbeiten, nicht ihr.
Was Jugendliche von Eltern brauchen
- Interesse: Aufrichtige Neugier an ihren Überlegungen und Wünschen
- Zeit: Raum für Gespräche ohne Zeitdruck und Agenda
- Ermutigung: Vertrauen in ihre Fähigkeiten und Entscheidungen
- Realismus: Ehrliche Einschätzungen ohne Schwarzmalerei
- Geduld: Akzeptanz, dass der Prozess Zeit braucht
- Rückhalt: Die Sicherheit, auch bei Fehlern aufgefangen zu werden
Do's and Don'ts
Das hilft
- Fragen stellen statt Antworten geben
- Eigene Erfahrungen teilen als Beispiel, nicht als Massstab
- Bei Schnupperlehren unterstützen
- Berufsberatung empfehlen und begleiten
- Stärken spiegeln, die ihr seht
- Auch ungewöhnliche Ideen ernst nehmen
Das schadet
- Eigene unerfüllte Träume projizieren
- Berufe schlecht reden
- Mit Geschwistern oder anderen vergleichen
- Druck aufbauen mit Deadlines
- Entscheidungen abnehmen
- Angst schüren vor falschen Entscheidungen
Gute Gespräche führen
Gespräche über die Berufswahl sind oft angespannt. Hier einige Tipps, wie sie besser gelingen:
- Richtigen Moment wählen: Nicht am Esstisch zwischen Tür und Angel
- Zuhören: Wirklich zuhören, nicht nur auf Stichwörter warten
- Offene Fragen: Was interessiert dich daran? Wie stellst du dir das vor?
- Ich Botschaften: Ich mache mir Sorgen, weil... statt Du musst doch sehen, dass...
- Pausen aushalten: Jugendliche brauchen Zeit zum Denken
Fragen, die helfen
Was macht dir Freude? Wobei vergisst du die Zeit? Was fällt dir leicht? Welche Probleme würdest du gerne lösen? Was bewunderst du an anderen Berufen? Diese Fragen öffnen Gespräche besser als Was willst du werden?
Mit Unsicherheit umgehen
Viele Jugendliche sind unsicher bei der Berufswahl. Das ist normal und sogar gesund. Es zeigt, dass sie die Entscheidung ernst nehmen. Eure Aufgabe ist nicht, die Unsicherheit wegzumachen, sondern sie auszuhalten und zu normalisieren.
Sätze wie Das ist völlig normal oder Du musst es nicht perfekt wissen helfen mehr als Jetzt entscheide dich endlich. Und erinnert euch: Die erste Berufswahl ist nicht die letzte. Weiterbildungen und Berufswechsel sind heute normal.
Wenn eure Meinung anders ist
Was, wenn euer Kind einen Beruf wählen will, von dem ihr nicht überzeugt seid? Das ist schwer. Aber auch hier gilt: Es ist die Entscheidung eures Kindes.
Was ihr tun könnt:
- Eure Bedenken äussern: Einmal, klar und ruhig. Nicht ständig wiederholen.
- Nachfragen: Was zieht dich an diesem Beruf an? Wie siehst du die Zukunft?
- Informationen anbieten: Ohne zu belehren. Soll ich dir Infos dazu suchen?
- Loslassen: Am Ende die Entscheidung respektieren.
Und bedenkt: Manchmal liegen Eltern falsch. Berufe, die uns fremd erscheinen, können genau richtig für unsere Kinder sein.
Praktische Unterstützung
Neben emotionaler Begleitung könnt ihr auch praktisch helfen:
- Bei der Suche nach Schnupperlehren unterstützen
- Kontakte im eigenen Netzwerk vermitteln
- Bewerbungsunterlagen gegenlesen (wenn gewünscht)
- Zum Berufsberatungstermin begleiten
- An Berufsmessen mitgehen
- Logistische Hürden aus dem Weg räumen
Familiäre Unterstützung verbessern
Manchmal braucht es Unterstützung von aussen, um als Familie gut durch diese Phase zu kommen.
Mehr erfahrenDie Zukunft im Blick
Die Arbeitswelt verändert sich. Berufe, die ihr kennt, gibt es vielleicht bald nicht mehr. Neue entstehen, von denen wir noch nie gehört haben. Das macht die Berufswahl nicht einfacher, aber es relativiert auch: Eine Entscheidung für immer gibt es nicht.
Was bleibt wichtig: Neugier, Lernbereitschaft, Anpassungsfähigkeit. Diese Eigenschaften zu fördern ist wichtiger als den perfekten Erstberuf zu finden.
Fazit: Begleiten statt Bestimmen
Die Berufswahl ist eine Gelegenheit, eure Beziehung zu eurem Kind zu stärken. Wenn ihr es schafft, zu begleiten ohne zu bevormunden, zu unterstützen ohne zu steuern, dann gebt ihr eurem Kind nicht nur Hilfe bei einer Entscheidung. Ihr zeigt ihm, dass ihr ihm vertraut. Und dieses Vertrauen ist mehr wert als jeder gut gemeinte Rat.